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Angst und Resilienz oder wie kommen wir von Angst zu Resilienz?

Von Franz Eichinger und Jens Lingthaler

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Jede Krise löst Ängste aus. Und unabhängig von der aktuellen Epidemie wird jedes Unternehmen irgendwann eine Krise durchmachen. Auch wenn wir alles für die Überwindung der Corona-Krise tun, werden wir mit den Folgen noch eine Weile zu kämpfen haben. Dies belastet die Beschäftigten besonders dann, wenn sie ihre Ängste nicht in der normalen Weise mit anderen teilen können. Worin bestehen die aus der Angst und Ungewissheit herrührenden Risiken und wie kann gute Führung damit umgehen?

Arbeitslosigkeit statt Ansteckung – die Dauer schafft eine neue Dimension der Angst

War die erste Welle der Pandemie gekennzeichnet durch die Angst vor der Krankheit mit der Perspektive des kommenden Sommers, so tritt in der zweiten Welle immer mehr die Angst vor den Folgen der Maßnahmen in den Vordergrund. Und die positive Perspektive der Impfungen wird durch den Mangel an verfügbarem Impfstoff getrübt. Zudem führt die Dauer der Pandemie bei vielen Menschen jetzt schon zu geistiger und körperlicher Erschöpfung. Wir haben uns deshalb mit der Frage beschäftigt, was geschieht, wenn durch die Corona Pandemie (Angst vor Infektion) weitere schwerwiegende Auswirkungen für die Gesellschaft entstehen. Dies sind vor allem existenzbedrohende Umstände wie eine Insolvenzwelle von großen und kleinen Firmen und damit verbundener gestiegener Arbeitslosigkeit, die für kollektive Angst in der Gesellschaft sorgen können.

Was ist Angst?

Angst ist eine Emotion, die bei tatsächlicher Bedrohung oder der bloßen Vorstellung einer Bedrohung auftritt. Ursprünglich stammt der Begriff vom lateinischen Begriff angere ab, was soviel bedeutet wie würgen oder die Kehle zuschnüren. Neben diesem zunächst lähmenden Gefühl, lässt sich Angst auch als Warn- und Schutzfunktion beschreiben. Denn durch die Ausschüttung von Hormonen entsteht eine, in unserem Urverhalten angelegte, mobilisierende Emotion, die uns zur Flucht oder Vermeidung von Situationen verhelfen, die Schmerzen, Verletzung und Tod zur Folge haben. Die aktuelle Situation ist geeignet, derartige Ängste in Menschen auszulösen. Drei Zitate aus vielen Gesprächen und Interviews mögen dies veranschaulichen:

  • „Ich habe keine Angst mehr vor Corona, sondern vor dem Briefkasten, dass da schlechte Nachrichten bezüglich des Jobs sind.“
  • „Ich habe Angst vor dem Telefon – es könnten schlechte Nachrichten sein.“
  • „Wir alle haben Angst vor dem nächsten Meeting, in dem uns verkündet wird, dass wir gehen müssen.“

Die Psychologen Dietrich Dörner und Ute Rek fanden in ihren Untersuchungen heraus, dass Menschen, die von Krisen betroffen sind, typische und erwartbare Verhaltensmuster zeigen, wie sie im fogenden Modell dargestellt sind:

 

Abb. Erwartbare Verhaltensmuster unter Krisenbedingungen (Dörner & Rek)

Geteiltes Leid ist halbes Leid – geht das auch vom Homeoffice?

Losgelöst von der Frage, wie diese Situationen bewältigt bzw. gemeistert werden können, ist das Vorhandensein von Resilienz sehr hilfreich. Der Begriff Resilienz (lat. resiliere = zurückspringen) stammt ursprünglich aus der Physik und wurde insbesondere in der Werkstoffkunde verwendet. Er bezeichnet die Eigenschaft eines Werkstoffs, nach einer Verformung durch Druck oder Belastung von außen wieder in seine ursprüngliche Form zurückzufinden. In der Psychologie wird Resilienz als Widerstandskraft des Menschen bei besonders belastenden Lebensereignissen bezeichnet. Menschen, die besonders resilient sind, haben die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf die persönlichen Ressourcen als Anlass für Entwicklung zu nutzen.

Allerdings treffen alle natürlichen Abwehrkräfte und hilfreichen Verhaltensweisen in der Corona-Krise auf eine zusätzliche Herausforderung. Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass es in unserer Gesellschaft eine Reihe von Veränderungen zur Bewältigung der daraus resultierenden Krise gab und immer noch gibt. Homeoffice, Kurzarbeit, Schul- und Kitaschließungen, Bewegungseinschränkungen, Hygieneregeln, Schließung von Betrieben in vielen Branchen, Arbeitsplatzverluste und Firmenzusammenbrüche erleben wir Menschen als gravierende Eingriffe in unser tägliches Leben.

Dabei hat der zweite Lockdown die Situation für viele Menschen emotional noch einmal deutlich verschärft. Besonders widerspricht das Social Distancing dem natürlichen Verhalten von Menschen in der Krise. Eine Stimme aus den Gesprächen: „Auch in der Finanzkrise 2008 waren wir in Kurzarbeit. Aber wir kamen alle ins Büro, sprachen über unsere Sorgen und entwickelten gemeinsam Zukunftspläne. Jetzt in der Corona-Krise sitzt jeder mit seinen Ängsten und Gedanken alleine zu Hause.“

Gute Führung sollte diese zusätzliche Dimension der Angst nicht ignorieren. Gute Führung sollte keine Scheu haben, mögliche Fragen und Ängste der Mitarbeiter anzusprechen, ohne selbst immer schon eine perfekte Antwort zu haben. Ängste sind da und sie können die Leistung ebenso beeinflussen wie die Gesundheit. Auch jeder einzelne kann seinen Beitrag leisten – unterstützt vom Unternehmen und von den Führungskräften.

Dem Teufelskreis der Ängste entkommen

Auszeiten vom Thema Corona. Generell ist es wichtig, sich Auszeiten vom Thema Corona zu nehmen und mit Familie und Freunden bewusst über andere Themen zu sprechen. Dies hat nichts mit Ignoranz zu tun, denn es braucht auch Zeiten, in denen man von möglichen Sorgen und Ängsten abgelenkt wird, um sich zu beruhigen.

Ängsten begegnen. Zunächst ist wichtig zu akzeptieren, dass Ängste ihre Daseinsberechtigung haben! Sie gehören zum Leben und sind nicht vollständig zu eliminieren.

Akzeptanz durch Achtsamkeit. Bei Achtsamkeit handelt es sich um einen klaren Bewusstseinszustand, der es erlaubt, alle äußeren Reize zunächst vorurteilsfrei zu registrieren und zuzulassen. Erst anschließend wird der Reiz bewusst bewertet und das eigene Verhalten gesteuert.

Gelassenheit. Besonders wichtig für die Bewältigung von Krisensituationen ist es, die Gelassenheit zu erhalten bzw. sie zurückzugewinnen. Was kann man tun, um die Gelassenheit nicht zu verlieren?

  1. Faktencheck – sind die Informationen, die mich beunruhigen, real und richtig?
  2. Medienkonsum bewusst limitieren – nur auf vertrauenswürdige Medien und offizielle Informationen setzen.
  3. Kontakt zu Menschen, die besonnen und unaufgeregt mit der Situation umgehen.
  4. Sinnvolle und selbstberuhigende Aktivitäten – z.B. wirkt sich Bewegung positiv auf die Psyche aus.
  5. Ressourcenorientierung – Erinnerung an bewältigte Krisen und auf die positiven Aspekte, die die aktuelle Situation mit sich bringt.
  6. Hilfe in Anspruch nehmen, wenn Ängste Überhand gewinnen! Viele Betriebe bieten ihren Mitarbeitern (vielfach auch den Familienmitgliedern) die Möglichkeit einer Beratung an.

Wenn Angst akzeptiert wird und rechtzeitig richtige Maßnahmen ergriffen werden, steigt die Chance erheblich, auch in dieser schwierigen Situation Resilienz zu erreichen und zu erhalten und damit auch positiv in die Zukunft sehen zu können.